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Designschutz / Urheberrecht

Höchst­rich­ter­li­che Grund­satz­ent­schei­dun­gen, die von uns ange­sto­ßen wor­den sind, haben auch nach den viel­fäl­ti­gen gesetz­ge­be­ri­schen Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung des Schut­zes gegen Pro­dukt­pi­ra­te­rie ihre Gül­tig­keit bei­be­hal­ten. Zu dem noch jun­gen euro­päi­schen Design­recht gibt es hin­ge­gen noch wenig höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dun­gen. Wir füh­ren zur Zeit eine Rei­he von Pro­zes­sen über unge­klär­te Fra­gen des Design­rechts, die sich für eine Wei­ter­füh­rung vor dem Bun­des­ge­richts­hof oder dem Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on eignen.

Design­schutz / Urheberrecht

Front Kit II – EuGH v. 28.10.2021, C‑123/20
ros­patt osten pross setzt für einen berühm­ten Sport­wa­gen­her­stel­ler beim EuGH eine Ände­rung der stän­di­gen deut­schen Recht­spre­chung durch, die nun allen Design­schaf­fen­den zu einem fle­xi­blen Schutz gegen die Nach­ah­mung von Teil­be­rei­chen ihrer Designs ver­hilft. In einer Grund­satz­ur­teil lässt der Gerichts­hof den Schutz von Teil­be­rei­chen einer Erschei­nungs­form durch nicht ein­ge­tra­ge­ne Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter mit gerin­gen Vor­aus­set­zun­gen zu. Der Gerichts­hof erkennt an, dass durch die Offen­ba­rung eines Gesamt­erzeug­nis­ses eine Viel­zahl nicht ein­ge­tra­ge­ner Geschmacks­mus­ter an Teil­be­rei­chen des Gesamt­erzeug­nis­ses ent­ste­hen kann. Anders als von der deut­schen Recht­spre­chung bis­lang vor­aus­ge­setzt, ist weder eine eigen­stän­di­ge Offen­ba­rungs­hand­lung in Bezug auf den jewei­li­gen Teil­be­reich not­wen­dig, noch muss der Teil­be­reich eine gewis­se Eigen­stän­dig­keit und Geschlos­sen­heit der Form auf­wei­sen. Es genügt viel­mehr, dass der Teil­be­reich bei der Offen­ba­rung des Gesamt­erzeug­nis­ses ein­deu­tig erkenn­bar und durch Lini­en, Kon­tu­ren, Far­ben, die Gestalt oder eine beson­de­re Ober­flä­chen­struk­tur klar abge­grenzt ist. 

Front Kit – BGH GRUR 2020, 392
Das OLG Düs­sel­dorf ver­sag­te Berei­chen der Front­par­tie eines neu­en Hyper­sport­wa­gens den Schutz des nicht ein­ge­tra­ge­nen Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ters mit der Begrün­dung, es feh­le an einer gewis­sen Eigen­stän­dig­keit und Geschlos­sen­heit der Form. Der BGH sieht Klä­rungs­be­darf und legt dem Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on Fra­gen zu den Vor­aus­set­zun­gen der Ent­ste­hung eines nicht ein­ge­tra­ge­nen Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ters an Tei­len von Erzeug­nis­sen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor. 

Regal­sys­tem – BGH GRUR 2013, 951
Die Nach­ah­mung eines wett­be­werb­lich eigen­ar­ti­gen Pro­duk­tes ist bei einer ver­meid­ba­ren Her­kunfts­täu­schung unlau­ter. Besteht für das Ori­gi­nal­pro­dukt ein Ersatz- und Erwei­te­rungs­be­darf, kann es jedoch zuläs­sig sein, die Merk­ma­le des Ori­gi­nal­pro­dukts zu über­neh­men, um eine tech­ni­sche Kom­pa­ti­bi­li­tät zu errei­chen. Dies gilt nach die­ser Ent­schei­dung des BGH auch, wenn bei den Abneh­mern ein anzu­er­ken­nen­des Inter­es­se an opti­scher Kom­pa­ti­bi­li­tät der Erzeug­nis­se besteht.

Holz­stüh­le – BGH GRUR 1996, 767
Der BGH stellt Grund­re­geln für die dif­fe­ren­zier­te Prü­fung von Neu­heit und Eigen­tüm­lich­keit eines Geschmacks­mus­ters auf.

Car­tier-Arm­reif – BGH GRUR 1994, 630
Der BGH gewährt den Anspruch auf Aus­kunft über die Her­kunft und den Ver­triebs­weg von Nach­ah­mun­gen, der mit dem Pro­dukt­pi­ra­te­rie­ge­setz von 1990 für die imma­te­ri­el­len Son­der­rech­te ein­ge­führt wur­de, erst­mals auch beim wett­be­werbs­recht­li­chen Leis­tungs­schutz. Der Anspruch wird auf aus­län­di­sche Lie­fe­ran­ten und Abneh­mer erstreckt.

Beschlag­pro­gramm – BGH GRUR 1986, 673
Der BGH spricht wie­der­keh­ren­den cha­rak­te­ris­ti­schen Merk­ma­len eines Pro­dukt­pro­gramms einen eigen­stän­di­gen wett­be­werbs­recht­li­chen Leis­tungs­schutz zu.

Stahl­rohr­stuhl IIBGH GRUR 1981, 820
Wer den Schutz nach dem Urhe­ber­recht unter Beru­fung auf vor­be­kann­ten For­men­schatz in Abre­de stellt, hat das kon­kre­te Aus­se­hen die­ses For­men­schat­zes dar­zu­le­gen und zu beweisen.

Leucht­en­glas – BGH GRUR 1981, 273
Der BGH bekräf­tigt sei­ne Recht­spre­chung, wonach einem in sich geschlos­se­nen Teil einer kom­ple­xen Gestal­tungs­form ein eige­ner Schutz nach dem Geschmacks­mus­ter­ge­setz gewährt wer­den kann (sog. Elementenschutz).

Haus­halts­schnei­de­ma­schi­ne I + IIBGH GRUR 1978, 168; GRUR 1981, 269
In einem mit zwei Revi­si­ons­ur­tei­len durch fünf Instan­zen geführ­ten Rechts­streit erkennt der BGH den Schutz eines in bestimm­ter Wei­se pro­por­tio­nier­ten Gehäu­ses in Quad­er­form nach dem Geschmacks­mus­ter­ge­setz an. Er bekräf­tigt dabei sei­ne Recht­spre­chung, wonach Form­ge­stal­tun­gen mit tech­ni­scher Funk­ti­on der Schutz gegen Nach­bil­dung allen­falls dann vor­ent­hal­ten bleibt, wenn sie objek­tiv und aus­schließ­lich tech­nisch bedingt sind.

Drei­fach­kom­bi­na­ti­ons­schal­ter – BGH GRUR 1975, 81
Der BGH hält an dem Grund­satz fest, dass an die schöp­fe­ri­sche Eigen­art von Geschmacks­mus­tern kei­ne zu nied­ri­gen, gleich­wohl aber deut­lich gerin­ge­re Anfor­de­run­gen zu stel­len sind als bei einem urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Kunst­werk. Dabei macht er deut­lich, dass die­ser Grund­satz auch für eine Form­ge­stal­tung gilt, die aus der Kom­bi­na­ti­on vor­be­kann­ter Ele­men­te besteht.

Elek­tro­schal­ter – BGH GRUR 1974, 406
Der BGH prä­zi­siert die Ent­schei­dung Stra­ßen­leuch­te“ von 1961, wonach die Über­ein­stim­mung mit dem Geschmacks­mus­ter den sub­jek­ti­ven Nach­ah­mungs­tat­be­stand auch dann indi­ziert, wenn der Nach­ah­mer kei­ne Kennt­nis vom geschütz­ten Ori­gi­nal hat­te. Er stellt klar, dass ein der­ar­ti­ger Anschein nicht besteht, wenn zwei­fel­haft ist, ob das Ori­gi­nal im Zeit­punkt der Schaf­fung des bean­stan­de­ten Erzeug­nis­ses bereits in den Ver­kehr gelangt war.

Stahl­rohr­stuhl I – BGH GRUR 1961, 635
Der Hin­ter­bein lose Stahl­rohr­stuhl (Frei­schwin­ger) von Mart Stam wird vom BGH als eine ästhe­ti­sche Leis­tung vom Rang eines Kunst­werks aner­kannt. Für die Beur­tei­lung der Eigen­schaft als Kunst­werk kommt es allein auf die Ver­hält­nis­se und Anschau­un­gen an, die im Zeit­punkt der Werk­schaf­fung geherrscht haben.

Hum­mel-Figu­ren I‑IIIBGH GRUR 1952, 516; GRUR 1961, 581; GRUR 1970, 250
In die­ser Ent­schei­dungs­rei­he ent­wi­ckelt der BGH die Grund­la­gen zum Schutz der Gestal­tung von Kin­der-Cha­rak­te­ren nach Urhe­ber­recht, Geschmacks­mus­ter­recht und ergän­zen­dem wett­be­werbs­recht­li­chem Leis­tungs­schutz sowie zu aus­schließ­li­chen Nut­zungs­be­fug­nis­sen reli­giö­ser Kon­gre­ga­tio­nen an Urhe­ber­rech­ten ihrer Mitglieder.