In den 90er Jahren ist das Markenrecht in Europa neu konzipiert worden. Naturgemäß haben sich damit viele grundsätzliche Fragen neu gestellt. Wir sind stolz darauf, ganz von Anfang an entscheidende Impulse für die Entwicklung der Rechtsprechung gegeben zu haben.
Markenrecht
TESTAROSSA – Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union v. 22.10.2020, C‑720/18 und C‑721/18
In einer wegweisenden Grundsatzentscheidung beantwortet der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren Fragen zur rechtserhaltenden Benutzung einer Marke. Die für eine Gruppe von Waren und deren Einzelteile eingetragene Marke wird grundsätzliche für alle zu dieser Gruppe zählenden Waren und Einzelteile rechtserhaltend benutzt, wenn sie nur für bestimmte Waren (wie hochpreisige Luxussportwagen) oder nur für Einzelteile oder Zubehör einiger dieser Waren benutzt worden ist, es sei denn, der Verbraucher sieht darin eine selbständige Untergruppe. Eine Marke kann von ihrem Inhaber auch dadurch ernsthaft benutzt werden, dass er gebrauchte Waren vertreibt, die unter der Marke in den Verkehr gebracht wurden, oder indem er unter der Marke Dienstleistungen anbietet. Die Benutzung einer Marke in der Schweiz kann aufgrund des deutsch-schweizerischen Abkommens von 1892 als rechtserhaltende Benutzung einer deutschen Marke zu berücksichtigen sein.
CORNEREYE – Urteil des Gerichts der Europäischen Union v. 5. März 2020, T‑688/18
Das Gericht hebt eine Entscheidung der EUIPO Beschwerdekammer zur Verwechslungsgefahr bei kennzeichnungsschwachen Marken auf. Die Übereinstimmung der Zeichen CORNEREYE und BACKEYE in dem letzten beschreibenden Bestandteil „EYE“ genüge nicht, um eine visuelle und klangliche oder konzeptionelle Ähnlichkeit zwischen den in ihren Anfangsbestandteilen unähnlichen Zeichen anzunehmen. Offengelassen hat das Gericht die Frage, ob eine im Vereinigten Königreich ggf. erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke angesichts des Brexits überhaupt berücksichtigungsfähig sei.
BretarisGenuair – BGH GRUR 2017, 1160
In einem wichtigen Urteil präzisiert der BGH die Grenzen des zulässigen Parallelimports. Der Markeninhaber kann den Parallelvertrieb eines unionsweit zugelassenen Arzneimittels wegen Verstoßes gegen Kennzeichnungsvorschriften des deutschen Arzneimittelgesetztes verbieten, und zwar auch dann, wenn der Parallelvertrieb der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) angezeigt wurde. Die von der EMA erteilten Notifikationsbescheinigungen sind keine Verwaltungsakte, die den Parallelvertrieb unter der anzeigten Kennzeichnung gestatten. Der Parallelimporteur kann sich nicht auf Erschöpfung berufen.
acopat – Urteil v. 23. September 2009, EuG T‑409/07
Das Gericht der Europäischen Union stellt in dieser Entscheidung einige interessante Leitfäden für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung einer Marke auf.
audison – BGH GRUR 2008, 611 = GRUR Int. 2009, 257
Der BGH beantwortet eine Reihe von offenen Fragen zur rechtswidrigen Agentenmarke. So stellt er fest, dass die Ansprüche aus §§ 11, 17 MarkenG auch dann bestehen, wenn der Geschäftsherr im Zeitpunkt der Agentenanmeldung zunächst lediglich über eine ausländische Markenanmeldung verfügt. Als Agent/Vertreter kommt jeder Absatzmittler in Betracht, den gegenüber dem Geschäftsherrn zumindest eine Nebenpflicht zur Interessenwahrnehmung trifft.
The Colour of Elegance – BGH GRUR 2005, 581
Der BGH befasst sich erstmals mit der Bösgläubigkeit als Nichtigkeitsgrund gemäß Art. 51 (1) (b) GMV (jetzt Art. 52 (1b) UMV). Er stellt fest, dass eine Behinderungsabsicht nicht gegeben ist, solange die Förderung des eigenen Wettbewerbs des Markenanmelders im Vordergrund steht. Von letzterem sei auszugehen, wenn die angemeldete Marke ein bestehendes Kennzeichenrecht im Sinne einer „Markenfamilie“ fortschreibt. Eine Behinderung als Nebeneffekt wird nicht toleriert.
Das Prinzip der Bequemlichkeit – EuGH GRURInt 2005, 224
Erstmals beschäftigt sich der EuGH mit der Markenfähigkeit und Unterscheidungskraft von Werbeslogans. Das EuG hatte der Klage des Anmelders auf Eintragung stattgegeben (GRUR 2002, 258) und festgestellt, dass an Slogans keine strengeren Maßstäbe zu stellen sind als an sonstige Kennzeichen. Der EuGH hat das Rechtsmittel des HABM zurückgewiesen und damit die Registrierung von Werbeslogans als Marken im Grundsatz bestätigt.
stüssy/stüssy II – BGH GRUR 2000, 879 und GRUR 2004, 156
In diesem Rechtsstreit ging der Markeninhaber gegen den Vertrieb von Originalware vor, die nach seiner Darstellung ohne Autorisierung in die EU bzw. den EWR importiert worden war. Nach einer Vorlageentscheidung des EuGH (GRUR 2003, 512) legte der BGH neue Grundsätze zur Beweislastverteilung in derartigen Fällen fest.
Companyline – EuGH GRUR 2003, 58
Mit dieser zweiten Entscheidung zur Unterscheidungskraft von Gemeinschaftsmarken gibt der EuGH seine großzügige Linie aus der ersten Entscheidung „Baby-Dry“ von 2001 wieder auf. Er stellt dabei klar, dass die Würdigung von Tatsachen einer Kontrolle durch den EuGH ausnahmsweise nur dann zugänglich ist, wenn deren Würdigung durch das EuG den Sachvortrag entstellt.
1, 2, 3 im Sauseschritt – BGH GRUR 2002, 1083
Der BGH stellt zunächst fest, dass die Kennzeichnungskraft als Marke eingetragener geflügelter Worte grundsätzlich nicht anders zu beurteilen ist als die Kennzeichnungskraft anderer Kennzeichen. Gleichwohl kann ein bestimmter Bedeutungsgehalt, der mit dem geflügelten Wort einhergeht, eine Verwechslungsgefahr ausschließen, wenn der Bedeutungsgehalt des angegriffenen Kennzeichens davon abweicht.
Tiffany II – BGH GRUR 2002, 1079
Der BGH begründet die Warengleichartigkeit/-ähnlichkeit von Schmuck einerseits und augenoptischen Erzeugnissen (Brillengestelle) andererseits. Das Urteil steht in einer Reihe von Entscheidungen, die nach der „Canon“-Entscheidung des EuGH die Wende der BGH-Rechtsprechung hin zu einem absoluten Ähnlichkeitsbegriff bei Waren/Dienstleistungen markiert.
Fabergé – BGH GRUR 2002, 340
Im Anschluss an die Chevy-Entscheidung des EuGH verlangt der BGH für die Bekanntheit einer Marke nicht, dass die Marke einem bestimmten Prozentsatz des maßgebenden Publikums bekannt ist. Stattdessen sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls (Marktanteil, Benutzung und Investitionen) im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen.
EuroHealth – EuG GRUR 2001, 835
Das EuG erkennt die Eintragung des Zeichens „EuroHealth“ als Gemeinschaftsmarke für Finanzdienstleistungen an. Es tritt damit der Auffassung entgegen, dass die Kombination einer beschreibenden Angabe mit dem Zeichen „Euro“ von einem Schutz als Marke grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Drei-Streifen-Kennzeichnung – BGH GRUR 2001, 158
Der BGH weitet den Schutzumfang der adidas-Streifen auf eine Zwei-Streifen-Verzierung aus. Er geht davon aus, dass der Verbraucher wegen der großen Bekanntheit der adidas-Streifen auch in solchen abweichenden Verzierungen eine markenmäßige Benutzung erkennt. Die Entscheidung „adidas/Fitnessworld“ des EuGH von 2003 (GRUR 2004, 58) liegt auf derselben Linie.
Aral/Blau I – BPatG GRUR 1999, 61
Mehrere Senate des Bundespatentgerichts hatten die Eintragung abstrakter Farbmarken zunächst abgelehnt. Mit dieser Entscheidung gelang es, eine Änderung dieser Rechtsprechung herbeizuführen. Inzwischen hat der EuGH in der „Libertel“-Entscheidung (GRUR 2004, 858) die Eintragungsfähigkeit von Farbmarken bestätigt und damit eine der umstrittensten Fragen des Markenrechts geklärt.